30April
2014

Kindergarten Nummer 3 (第三幼)

Ich bin wahnsinnig stolz auf meine Kleine. Natürlich könnte ich sie auch oft aus dem Fenster schmeißen, aber wie die sich hier in den ersten zwei Monaten durchgeboxt hat. Fetten Respekt.

Das fing eigentlich schon am Tag unserer Ankunft an. Nach 12 Stunden Flug und schlafloser Nacht wurden wir in unserer neuen Wohnung von Ablegern der sieben großen Tanten väterlicherseits und acht großen Tanten mütterlicherseits in Empfang genommen. Darunter war auch eine ehemalige Klassenkameradin des ältesten jüngsten Bruders meiner Schwiegermutter. Diese sehr nette Dame bezeichnen wir gemeinhin als Tante (mütterlicherseits) Zhang (张姨) - was irreführend ist, da eigentlich gar kein Verwandschaftsverhältnis besteht. Aber so kleinlich sind wir hier in China mit dem Einverwandschaften nicht.

Nun gut, Tante Zhang war es ein großes Anliegen unsere Tochter Nelly schnellstmöglich in einem Kindergarten unterzubringen. Hui hatte sich vorab schone einige Kindergärten hier im TEDA angeschaut, aber so wirklich fündig waren wir noch nicht geworden. Aber wir waren ja auch gerade erst angekommen. Nichtsdestotrotz hatte Tante Zhang ihrerseits auch schon Kontakt an unserer Stelle mit einem aus ihrer Sicht sehr empfehlenswerten Kindergarten aufgenommen - dem Kindergarten Nummer 3 in der Taifeng Straße.

Direkt sympathisch an dem Kindergarten war mir, dass er sich in unmittelbarer Nähe zu unserer Wohnung befindet. Zu Fuß kann man in etwa 20 Minuten durch den Park dahinlaufen. Von daher waren wir auch interessiert uns den Kindergarten mal anzuschauen. Nur anszuschauen - von außen. Aber da wir ja dann auch schonmal davor standen, lag es natürlich auch nahe vielleicht mal kurz reinzugehen und da Tante Zhang ja auch schon mit der Kindergartenleiterin gesprochen hatte, saßen wir eine Viertelstunde später im Büro der Kindergartenleiterin zum "Vorstellungsgespräch". Circa 4 Stunden nachdem wir chinesischen Boden betreten hatten wohlgemerkt. 

Obwohl Nelly sich - vollkommen zurecht - geweigert hatte aus dem Stehgreif erstmal ein Lied vorzusingen, war der Kindergarten doch interessiert uns aufzunehmen und rein zufällig war in einer der Mittelklassen auch kurzfristig ein Platz freigeworden. Das mit dem Lied vorsingen ist eine Unart hier hin China. Ich weiß nicht, was die mit den Kindern machen, aber es gibt doch tatsächlich Knirpse, die sich regelmäßig vor die gesamte Verwandschaft stellen und zur allgemeinen Belustigung erstmal ein Liedchen trällern. Besonders hochgezüchtete Exemplare können dann auch noch Musikinstrumente spielen und andere Kunststücke vollführen. Ehrlich gesagt, kann ich mich aus meiner Kindheit und auch aus meiner Erfahrung als Vater in Deutschland nicht erinnern, dass ich so etwas vergleichbares je schonmal gesehen hätte. Zu besonderen Anlässen mit einiger Vorbereitung vielleicht - aber nicht so wie hier.

Wie dem auch sei, als erste Amtshandlung auf chinesischen Boden hatten wir also einen Kindergartenplatz für Nelly organisiert. Vernünftigerweise hatten wir dann aber den Fuß vom Gas genommen und mit dem Kindergarten vereinbart, dass wir erst anfangen, wenn die Koffer ausgepackt und wir zumindest aus dem Jetlag raus sind. Anmeldeprozeduren und Kontoeröffnung etc. haben sich dann auch noch ein wenig hingezogen und erst seit dem 01.04.2014 ist unsere Kleine jetzt stolzes Mitglied der Mittelstufenklasse Nummer 4 (中四班).

Wie erwähnt ist der Kindergarten in der Nähe gelegen. Wir wohnen in der 4ten Straße, dieser folgen wir dem Park entlang, biegen rechts in die Taifeng Straße, dann geht es über einen Kreisel (mal links rum - mal rechts rum) in die Rongtai Straße und schon sind wir da. 

Anders als in Deutschland sind die Gruppen hier nach Jahrgängen geordnet. Wir gehen jetzt in die mittlere Stufe und dort gibt es vier Klassen. In der Klasse gibt es 29 Kinder - 8 Mädchen und der Rest Jungs. Drei Lehrerinnen versuchen die kleinen Banditen in Schach zu halten: Lehrerin Han als Klassenleiterin und deren Hilfssheriffs Lehrerin Song und Lehrerin Zhao. 

Seit Nelly in den Kindergarten geht, haben wir unseren Ablauf morgens geändert. Ich fahre jetzt nicht länger mit dem Firmenshuttle zur Arbeit, sondern fahre mit Nelly zusammen mit dem Taxi. Wir brechen so gegen 07:30 Uhr auf und dann geht es erst in den Kindergarten und dann für mich entweder in unser Werk in der 7ten Straße oder in das Werk in der 13ten Straße. Mittlerweile ist Nelly so fit im Chinesisch, dass sie immer schon die Anweisungen im Taxi gibt. Der Taxifahrer weiss dann zwar nicht immer, wo der Kindergarten ist, aber dann nutzen wir die Zeit im Auto immer schön, um über die Ortsunkenntnis des Fahrers zu lästern. Auf Deutsch natürlich.

Bereits nach dem dritten Tag im Kindergarten wurden wir sanft darauf hingewiesen, dass es doch ausreichend sei, Nelly nur zum Tor zu bringen. Von daher machen wir eigentlich nur die Taxi-Tür auf, Nelly springt raus und ich düse weiter.

Danach geht es für Nelly erstmal weiter zum allmorgendlichen Gesundheitscheck, d.h. Zunge rausstrecken, Händchen geben und dann je nach Befund eine blaue oder rote Karte nehmen und dann weiter zum Klassenraum. Bisher haben wir immer nur blaue Karten bekommen, keine Ahnung was passiert, wenn der Befund mal nach roter Karte ausfällt. Danach startet der Frühsport draussen im Hof, es gibt Frühstück und dann gibt es "Unterricht" - bspw. Basteln, Malen, Aufgaben lösen, Singen....

Nach dem Mittagessen gibt es eine zweistündige Ruhepause und die Kinder schlafen. Denke, dass war für Nelly das allerschwerste. Wer einmal versucht hat sich mit unserer Kleinen Mittags ein halbes Stündchen mal hinzulegen, kann sich vorstellen, was das bedeutet. Ein Atomkraftwerk unter Volllast kann man ja auch nicht so ohne weiteres ausschalten. So etwas hat man ja mal in Tschernobyl versucht und es ist ja bekannt, was daraus geworden ist.

Mittlerweile haben wir das aber in den Griff bekommen, dadurch, dass Nelly abends länger aufbleiben darf - so bis halb zehn und seit dem schläft sie dann wirklich auch im Kindergarten. In Südländischen Ländern lebt es sich halt so - die Kinder halten hier Mittagsschlaf bis in die Grundschule hinein. 

Nach der Mittagsruhe gibt es dann wieder "Unterricht" und ab 16:50 können die Kinder dann geholt werden. Das übernimmt Hui, da ich erst um 17:00 Uhr Feierabend machen kann. Wir treffen uns dann zu Hause oder ich komme denen im Park entgegen. So hat sich unser Tagesablauf zumindest jetzt im April eingependelt.

Der Kindergarten hier ist deutlich verschulter als in Deutschland. Allerdings kommt Nelly nach unserer Wahrnehmung und auch nach Rückmeldung der Lehrerinnen gut zurecht. Sie beteiligt sich im Unterricht und kommt auch mit den anderen Kindern gut zurecht. Dafür dass Nelly bisher ihren Lebenmittelpunkt in Deutschland hatte und Chinesisch für Nelly ganz klar eine Fremdsprache ist, finde ich das sehr beeindruckend! Sehr gut gemacht Kleine.

Der Ablauf im Kindergarten ist strukturierter und organisierter als in Deutschland. Kein Wunder anders wären die Kindermassen wahrscheinlich auch nicht zu handeln. Man bewegt sich mehr in 2er Reihen, folgt der Herde und den strikten Anweisungen der Lehrerin. Individuelle Interessen stehen hinter den Interessen der Gruppe zurück. Typisch Chinesisch halt. 

Man sieht beispielsweise auch, dass den Kindern beigebracht wird zu malen. Das positive dabei ist, dass Nelly jetzt nach vier Wochen im Kindergarten besser malen kann als ich - mir hat das nämlich nie jemand beigebracht. Nachdenklich macht dann aber irgendwie, dass die Bilder der Kinder alle irgendwie gleich aussehen, wenn man sich die Errungenschaften der Kleinen im Aushand mal genauer betrachtet.

Hier ein paar Impressionen die Hui am Dienstag während eines Flohmarktes zugunsten bedürftiger Kinder im Kindergarten aufgenommen hat: