Berichte von 04/2014

30April
2014

Schuhe Kaufen (买鞋)

Kürzlich waren wir im Tanggu auf dem Schuhmarkt. Leider sieht man es auf den Fotos nicht so wirklich toll, aber so viele Schuhe hab' ich noch nie auf einem Haufen gesehen. 

 

Chinesische Kaufhäuser sind auch immer einen Besuch wert und daran halten sich die Chinesen auch sehr konsequent. Regelmäßig zu den Wochenenden wird schön brav einkaufen gegangen und die Stadtzentren sind brechend voll.

Bei den Kaufhäusern muss man dann unterscheiden zwischen elitären, sündhaft teuren Veranstaltungen, wo man westliche Marken zu teuren Preisen erstehen kann und wirren Ansammlungen chinesischer Einzelhändler, die sich Themenbezogen auf verschiedenen Stockwerken zusammenfinden. Natürlich sind letztere viel interessanter. Ein klassisches Signal, dass sich hinter einer Tür eine wirre Ansammlung von Einzelhändlern verbirgt, sind glaube ich schwere Vorhänge aus Plastikfolie am Eingang - aber so ganz sicher bin ich mir da auch nie.

Schuhe haben wir dann übrigens keine gekauft, aber jede Menge Kinderkleidung ein Stockwerk darüber.

 

30April
2014

Kindergarten Nummer 3 (第三幼)

Ich bin wahnsinnig stolz auf meine Kleine. Natürlich könnte ich sie auch oft aus dem Fenster schmeißen, aber wie die sich hier in den ersten zwei Monaten durchgeboxt hat. Fetten Respekt.

Das fing eigentlich schon am Tag unserer Ankunft an. Nach 12 Stunden Flug und schlafloser Nacht wurden wir in unserer neuen Wohnung von Ablegern der sieben großen Tanten väterlicherseits und acht großen Tanten mütterlicherseits in Empfang genommen. Darunter war auch eine ehemalige Klassenkameradin des ältesten jüngsten Bruders meiner Schwiegermutter. Diese sehr nette Dame bezeichnen wir gemeinhin als Tante (mütterlicherseits) Zhang (张姨) - was irreführend ist, da eigentlich gar kein Verwandschaftsverhältnis besteht. Aber so kleinlich sind wir hier in China mit dem Einverwandschaften nicht.

Nun gut, Tante Zhang war es ein großes Anliegen unsere Tochter Nelly schnellstmöglich in einem Kindergarten unterzubringen. Hui hatte sich vorab schone einige Kindergärten hier im TEDA angeschaut, aber so wirklich fündig waren wir noch nicht geworden. Aber wir waren ja auch gerade erst angekommen. Nichtsdestotrotz hatte Tante Zhang ihrerseits auch schon Kontakt an unserer Stelle mit einem aus ihrer Sicht sehr empfehlenswerten Kindergarten aufgenommen - dem Kindergarten Nummer 3 in der Taifeng Straße.

Direkt sympathisch an dem Kindergarten war mir, dass er sich in unmittelbarer Nähe zu unserer Wohnung befindet. Zu Fuß kann man in etwa 20 Minuten durch den Park dahinlaufen. Von daher waren wir auch interessiert uns den Kindergarten mal anzuschauen. Nur anszuschauen - von außen. Aber da wir ja dann auch schonmal davor standen, lag es natürlich auch nahe vielleicht mal kurz reinzugehen und da Tante Zhang ja auch schon mit der Kindergartenleiterin gesprochen hatte, saßen wir eine Viertelstunde später im Büro der Kindergartenleiterin zum "Vorstellungsgespräch". Circa 4 Stunden nachdem wir chinesischen Boden betreten hatten wohlgemerkt. 

Obwohl Nelly sich - vollkommen zurecht - geweigert hatte aus dem Stehgreif erstmal ein Lied vorzusingen, war der Kindergarten doch interessiert uns aufzunehmen und rein zufällig war in einer der Mittelklassen auch kurzfristig ein Platz freigeworden. Das mit dem Lied vorsingen ist eine Unart hier hin China. Ich weiß nicht, was die mit den Kindern machen, aber es gibt doch tatsächlich Knirpse, die sich regelmäßig vor die gesamte Verwandschaft stellen und zur allgemeinen Belustigung erstmal ein Liedchen trällern. Besonders hochgezüchtete Exemplare können dann auch noch Musikinstrumente spielen und andere Kunststücke vollführen. Ehrlich gesagt, kann ich mich aus meiner Kindheit und auch aus meiner Erfahrung als Vater in Deutschland nicht erinnern, dass ich so etwas vergleichbares je schonmal gesehen hätte. Zu besonderen Anlässen mit einiger Vorbereitung vielleicht - aber nicht so wie hier.

Wie dem auch sei, als erste Amtshandlung auf chinesischen Boden hatten wir also einen Kindergartenplatz für Nelly organisiert. Vernünftigerweise hatten wir dann aber den Fuß vom Gas genommen und mit dem Kindergarten vereinbart, dass wir erst anfangen, wenn die Koffer ausgepackt und wir zumindest aus dem Jetlag raus sind. Anmeldeprozeduren und Kontoeröffnung etc. haben sich dann auch noch ein wenig hingezogen und erst seit dem 01.04.2014 ist unsere Kleine jetzt stolzes Mitglied der Mittelstufenklasse Nummer 4 (中四班).

Wie erwähnt ist der Kindergarten in der Nähe gelegen. Wir wohnen in der 4ten Straße, dieser folgen wir dem Park entlang, biegen rechts in die Taifeng Straße, dann geht es über einen Kreisel (mal links rum - mal rechts rum) in die Rongtai Straße und schon sind wir da. 

Anders als in Deutschland sind die Gruppen hier nach Jahrgängen geordnet. Wir gehen jetzt in die mittlere Stufe und dort gibt es vier Klassen. In der Klasse gibt es 29 Kinder - 8 Mädchen und der Rest Jungs. Drei Lehrerinnen versuchen die kleinen Banditen in Schach zu halten: Lehrerin Han als Klassenleiterin und deren Hilfssheriffs Lehrerin Song und Lehrerin Zhao. 

Seit Nelly in den Kindergarten geht, haben wir unseren Ablauf morgens geändert. Ich fahre jetzt nicht länger mit dem Firmenshuttle zur Arbeit, sondern fahre mit Nelly zusammen mit dem Taxi. Wir brechen so gegen 07:30 Uhr auf und dann geht es erst in den Kindergarten und dann für mich entweder in unser Werk in der 7ten Straße oder in das Werk in der 13ten Straße. Mittlerweile ist Nelly so fit im Chinesisch, dass sie immer schon die Anweisungen im Taxi gibt. Der Taxifahrer weiss dann zwar nicht immer, wo der Kindergarten ist, aber dann nutzen wir die Zeit im Auto immer schön, um über die Ortsunkenntnis des Fahrers zu lästern. Auf Deutsch natürlich.

Bereits nach dem dritten Tag im Kindergarten wurden wir sanft darauf hingewiesen, dass es doch ausreichend sei, Nelly nur zum Tor zu bringen. Von daher machen wir eigentlich nur die Taxi-Tür auf, Nelly springt raus und ich düse weiter.

Danach geht es für Nelly erstmal weiter zum allmorgendlichen Gesundheitscheck, d.h. Zunge rausstrecken, Händchen geben und dann je nach Befund eine blaue oder rote Karte nehmen und dann weiter zum Klassenraum. Bisher haben wir immer nur blaue Karten bekommen, keine Ahnung was passiert, wenn der Befund mal nach roter Karte ausfällt. Danach startet der Frühsport draussen im Hof, es gibt Frühstück und dann gibt es "Unterricht" - bspw. Basteln, Malen, Aufgaben lösen, Singen....

Nach dem Mittagessen gibt es eine zweistündige Ruhepause und die Kinder schlafen. Denke, dass war für Nelly das allerschwerste. Wer einmal versucht hat sich mit unserer Kleinen Mittags ein halbes Stündchen mal hinzulegen, kann sich vorstellen, was das bedeutet. Ein Atomkraftwerk unter Volllast kann man ja auch nicht so ohne weiteres ausschalten. So etwas hat man ja mal in Tschernobyl versucht und es ist ja bekannt, was daraus geworden ist.

Mittlerweile haben wir das aber in den Griff bekommen, dadurch, dass Nelly abends länger aufbleiben darf - so bis halb zehn und seit dem schläft sie dann wirklich auch im Kindergarten. In Südländischen Ländern lebt es sich halt so - die Kinder halten hier Mittagsschlaf bis in die Grundschule hinein. 

Nach der Mittagsruhe gibt es dann wieder "Unterricht" und ab 16:50 können die Kinder dann geholt werden. Das übernimmt Hui, da ich erst um 17:00 Uhr Feierabend machen kann. Wir treffen uns dann zu Hause oder ich komme denen im Park entgegen. So hat sich unser Tagesablauf zumindest jetzt im April eingependelt.

Der Kindergarten hier ist deutlich verschulter als in Deutschland. Allerdings kommt Nelly nach unserer Wahrnehmung und auch nach Rückmeldung der Lehrerinnen gut zurecht. Sie beteiligt sich im Unterricht und kommt auch mit den anderen Kindern gut zurecht. Dafür dass Nelly bisher ihren Lebenmittelpunkt in Deutschland hatte und Chinesisch für Nelly ganz klar eine Fremdsprache ist, finde ich das sehr beeindruckend! Sehr gut gemacht Kleine.

Der Ablauf im Kindergarten ist strukturierter und organisierter als in Deutschland. Kein Wunder anders wären die Kindermassen wahrscheinlich auch nicht zu handeln. Man bewegt sich mehr in 2er Reihen, folgt der Herde und den strikten Anweisungen der Lehrerin. Individuelle Interessen stehen hinter den Interessen der Gruppe zurück. Typisch Chinesisch halt. 

Man sieht beispielsweise auch, dass den Kindern beigebracht wird zu malen. Das positive dabei ist, dass Nelly jetzt nach vier Wochen im Kindergarten besser malen kann als ich - mir hat das nämlich nie jemand beigebracht. Nachdenklich macht dann aber irgendwie, dass die Bilder der Kinder alle irgendwie gleich aussehen, wenn man sich die Errungenschaften der Kleinen im Aushand mal genauer betrachtet.

Hier ein paar Impressionen die Hui am Dienstag während eines Flohmarktes zugunsten bedürftiger Kinder im Kindergarten aufgenommen hat:

 

 

29April
2014

Hangu Aircraft Carrier Themepark (天津滨海航母主题公园)

Am Wochenende waren wir auf einem Kriegsschiff. Genauer gesagt handelte es sich - passend zur aktuellen Ukraine-Krise - um einen alten ausrangierten russischen Flugzeugträger. Und zwar waren wir feierlich eingeladen zur offiziellen Eröffnung der neuen Russischen Straße im Hangu Aircraft Carrier Themepark. Es war der Wahnsinn.

Bei Hangu handelt es sich um ein kleines Kaff hier in der Küstenregion circa 20 Minuten mit dem Auto von dem TEDA entfernt. Wir im TEDA sind administrativ gesehen an einer Ortschaft namens Tanggu aufgehangen. Da sich insbesondere der TEDA in den letzten Jahren prächtig entwickelt hat, hat man sich in Tanggu ein goldenes Näschen verdient. Das wiederum hat man in der Nachbargemeinde Hangu sehr mit Argwohn verfolgt und ist ein bisschen neidisch geworden. Aber der Hangu-Chinese ist nicht dumm und hat sich seine eigene Entwicklungsstrategie zurecht gesponnen. In Hangu setzt man auf den Tourismus. Also hat man im Nichts ein riesige Schwimmbaderlebnis-Landschaft gebaut und eben auch oben erwähnten Themenpark.

Ich hab' keine Ahnung warum, aber der Chinese mag' Kriegssachen. Im Fernsehen gibt es auch immer Berichte über irgendwelches Kriegsgerät und oft sitzt man auch mit Menschen beim Abendessen zusammen, die sich erschreckend gut mit Panzern, Flugzeugen etc. auskennen. Mit steigendem Alkoholkonsum muss man dann auch schonmal aufpassen, dass sich da aus einem friedlichen Abendessen kein neuer Weltkrieg entwickelt und kurzerhand Amerika und dem Westen der Krieg erklärt wird.

Die Einladung zu der Besichtigung kam über eine internationale Fussballmanschaft zustande, die mich schon häufiger eingelanden hatten mitzuspielen. Aber bisher musste ich leider immer passen - oder mir wurde vielmehr seitens meiner Frau eher angeraten zu passen, da ich mich ja schon während der Woche kaum um die Kinder kümmern könnte und dass es am Wochenende doch am besten sei, sich einfach um die Kinder zu kümmern, anstatt Fußball zu spielen. Die Einladung in den Themenpark hatten wir dann aber angenommen und mir war auch sehr wichtig, dass wir daran dann teilnehmen.

Also sind wir am Samstag Morgen um 07:00 Uhr aus dem Haus gestürzt, um im strömenden Regen das Kriegsschiff zu besichtigen und die Eröffnung der russischen Straße dort zu begehen.

Es gab dann viele Möglichkeiten schöne Bilder zu machen:

Familie vor Kriegsschiff

Kinder vor Luftabwehrraketen

Oder einfach ein paar Mittelstreckenraketen, die in der Gegend rumstanden

Das Kriegsschiff war natürlich schon atemberaubend, aber absolut der Hammer war dann die russische Straße. Häuser die russischer aussehen, als Russland das wahrscheinlich je gesehen hat, Russische Spezialitäten hergestellt von chinesischen Wanderarbeitern und als absolutes Highlight junge Damen - wahrscheinlich aus Russland - mit lustiger Kleidung mit den man für umsonst Fotos machen konnte.

 

Krönender Abschluss des Besuches war dann noch die amerikanischen Stuntshow - die zwar thematisch vollkommen nichts zu tun hatte mit dem Kriegsschiff und der russischen Straße aber trotzdem auch sehr besonders war. Es gab Autos, die auf zwei Reifen fahren, springende Motorräder und brennende Menschen und einen ohrenbetäubenden Lärm. Nelly war fix und fertig danach und hat eigentlich die ganze Zeit am Stück geschriehen: "Papa brennt der Mann - ist der jetzt tot?" "Warum schießen die?" "Ich hab' Angst". Tom hat das ganze ein wenig relaxter gesehen - immerhin lagen ja Papierschnipsel auf dem Boden und man konnte die Treppenstufe rauf und runter klettern.

Zusammenfassend war es wieder herrlich absurd. Amerikanische Stuntshow in künstlicher russicher Stadt vor einem Kriegsschiff in der chinesischen Pampa zusammen mit internationaler Fussballmannschaft, wo ich noch nie mitgespielt habe. Aber deswegen zeigt die Kompassnadel ja hier ja auch nach Süden.

22April
2014

Ostern (复活节)

Vielleicht um es kurz zu machen. Ostern gibt es in China nicht, interessiert keinen und wird auch nicht gefeiert. Es gibt keinen Osterhasen, keine Ostereier und keinen Fisch an Karfreitag. Noch nicht mal der Kommerz hat das Fest für sich entdeckt. Für uns war es also ein ganz normales Wochenende.

Das einzige besondere war vielleicht, dass unser Kollege Jörg einen extra großen Zopf gebacken hat und unter der Belegschaft verteilt hat. Das war lustig, weil der Schelm dort eine extra Portion Rum reingekippt hatte und zumindest bei mir der Kuchen am frühen Montagmorgen leichte Trunkenheitssymptome hervorgerufen hat. Bei den Chinesen wahrscheinlich auch, allerdings tu ich mir da noch schwer zwischen "normalem" Verhalten und Trunkenheit zu unterscheiden.

Dementsprechend war auch der Karfreitag ein regulärer Arbeitstag. Ganz ohne Grillen ging es dann bei unser aber dann doch auch nicht. Da am Freitag schönes Wetter war, sind wir nach der Arbeit noch um den Block zu einigen kleinen Restaurants gepilgert und haben dort zu Abend gegessen. Gelandet sind wir bei einem Uiguren - die verkaufen zwar kein Bier, aber dafür richtig gut und lecker gegrillte Lammspieße. Schöne Grüße nach Hennef dann auch noch ;-)

Ansonsten haben am Wochenende wieder die "sieben großen Tanten väterlicherseits und die acht großen Tanten müttlerlicherseits" zugeschlagen - siehe Eintrag weiter unten. Diesmal in Form des ältesten jüngeren Bruders meiner Schwiegermutter. Der Gute hat uns bereits bei der Vorbereitung unseres Chinaaufenthaltes sehr unterstützt und steht uns jetzt auch regelmäßig hilfreich zur Seite. Gemäß chinesischer Sitte revanchiert man sich dafür mit einer Essenseinladung. Da Huis Eltern am Wochenende auch in Tianjin waren, sind wir also am frühen Samstagmorgen "in die Stadt" gefahren und haben uns dort mit denen getroffen.

Der älteste jüngste Bruder meiner Schwiegermutter und dessen Frau waren m. V. nach früher irgendwo im öffentlichen Dienst beschäftigt. Nach der Pensionierung haben die sich dann berufen gefühlt einen kleinen Sushi-Stand in einer Mall im Stadtzentrum zu eröffnen. Da haben wir uns dann getroffen.

Wir waren dann wieder schick essen. Diesmal haben wir westlich gegessen - es gab Schnitzel und Pommes, Rindfleisch, Spaghetti Bolo, Überbackene Nudeln.... Es war mal wieder lecker. Die Kids waren auch begeistert.

Mitgenommen habe ich wieder, dass das Leben "in der Stadt" also in Tianjin Downtown doch anders tickt, als bei uns draußen im TEDA. Verglichen mit Tianjin, ist der TEDA doch arg "ländlich", der Chinese sagt tu (土) dazu. Die Leute kleiden sich halt anders, sehen anders aus und verhalten sich anders. Inbesondere gibt es in Tianjin Ecken, die der TEDA nicht hat. Kleine Sträßchen mit Bäumen und alten Häusern, in denen es Cafes und Bars gibt, wo man schön draußen sitzen und sich unterhalten kann. Im TEDA ist entweder alles neu, dann ist alles riesig und protzig - oder alt, dann ist es unordentlich und dreckig.

Auf dem Nachhauseweg haben wir dann noch in einem Park halt gemacht, wo die Kinder Karussel fahren und Trampolin hüpfen konnten. Alles schön und gut, kostet aber auch alles immer Geld hier.

Am Sonntag waren wir dann mit den Kindern im Park um die Ecke. Ein sehr schöner Tag war das, weil sehr frühlingshaft. Wir haben den Kindern Seifenblasen gekauft und sie haben schön damit gespielt.

Dort haben wir auch die lokalen Hundefreunde von TEDA getroffen. Man beachte besonders das schön gekleidete Exemplar, das Hui fotografiert. Der Jacko hätte seinen Spaß gehabt.

 

20April
2014

China und der Scheinriese Herr Tur Tur

Ein bisschen Überzeugungsarbeit war notwendig, aber irgendwann ist es mir doch gelungen, Nelly für die Abenteuer von Jim Knopf und Lukas dem Lokomotivführer zu gewinnen. Seitdem wird jeden Morgen beim Zähneputzen eine der drei Hörspiel-CDs eingelegt und das greußlich Zetern von Frau Mahlzahn begleitet uns regelmäßig beim Morgen-Kaffee.

Nach erfolgreicher Durchquerung des Tals der Dämmerung treffen Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer bekanntlich auf den Scheinriesen Herrn Tur Tur. Eine riesige schreckenseinflößende Gestalt aus der Ferne betrachtet, die bei Betrachtung aus der Nähe aber auf einen gewöhnlichen, einsamen älteren Mann zusammenschrumpft. Herr Tur Tur ist nur scheinbar ein Riese - also ein Scheinriese, der immer größer wird, je weiter er sich entfernt und immer kleiner, je näher er kommt.

In China verhält es sich bei vielen Sachen wie mit Herrn Tur Tur. Von weit weg betrachtet sieht alles, super klasse, edel, schick und prunkvoll aus. Je näher man jedoch kommt, desto mickriger, gewöhnlicher und soger schäbiger wird alles. Meine Kollegen sagen dazu auch, China sei ein 10m Land. Bis auf 10m Entfernung sieht alles gut aus, aber dann....

Ein Beispiel: Unsere Siedlung. Aus der Ferne alles klasse. Raumgreifend, sauber, gepflegt und ordentlich.

Bei näherer Betrachtung ist es aber dann oft rostig, kaputt, schmutzig und vergammelt.

Interessant ist natürlich jetzt die Fragen, warum das so ist. Einen wichtigen Grund dafür spielen sicherlich die harten Witterungsbedingungen. Im Winter ist es knochtrocken und sehr kalt, dafür dann aber im Sommer unerträglich schwül und feucht. Denke für jede Art von Material ist das wirklich sehr schwer zu ertragen. Für uns Menschen natürlich auch.

Ein weiterer Grund - gerade bei Immobilien mögen die ungeklärten Besitzverhältnisse sein. In China ist es ja nach wie vor nicht möglich Eigentum an Grund und Boden zu erwerben. Wenn man eine Wohnung kauft - was die Chinesen ja wie die Wahnsinnigen machen - erwirbt man lediglich ein zetilich begrünztes Nutzungsrecht an der Immobilie. In der Regel beträgt dieses zwischen 50-70 Jahren. Wie es danach weiter geht, ist dann erstmal ungeklärt - aber wen interessiert schon was in 50 Jahren passiert?

Den Hauptgrund seh' ich persönlich aber in der rasanten Wirtschaftsentwicklung der letzten 30 Jahre. Das ist einfach zu schnell gegangen für die Menschen hier. Wer permanent neue Wolkenkratzer entstehen sieht, lernt das bestehende nur schwer zu schätzen. Alles ist irgendwo immer im Wandel begriffen. Kann man von Arbeitern erwarten, dass die ihre Arbeit ordentlich und nachhaltig erledigen, wenn deren Familien tausende von Kilometern entfernt leben und sich Arbeitgeber und Jobs ständige wechseln?

Probleme sehen ist immer einfach, aber die Ursachen zuzuordnen oder sogar abzustellen, deutlich schwerer.

10April
2014

Smog (雾霾)

Ein blöde Sache hat es hier - den Smog. Dass es in China Smog hat, ist jetzt nicht wirklich ganz überraschend, da dort ja auch schon vereinzelt in deutschen Medien drüber berichtet wurde. Ausserdem hat man sich ja auch schon ein wenig mit dem Land beschäftigt und war auch schonmal da. Aber das es jetzt doch so heftig ist, ist doch schon blöd.

Ich beschäftige mich mit China jetzt schon seit 1999 und bereise das Land seit 2001 mehr oder weniger regelmäßig mindestens einmal pro Jahr: Die Orte an denen ich mich hier aufgehalten habe, gingen sicher nie als Luftkurort durch, aber wie sich die Situation seit den letzten zwei Jahren zugespitzt hat, ist schon sehr bedenklich.Gott sei Dank sehen das die Chinesen auch so und alle sind total verwundert über die Lage. Nebel (雾) habe es ja immer schon gegeben, aber jetzt dieser Dunst (霾) dazu - der Chinese ist verstört. Eine Erklärung wie es zu der Zuspitzung der Lage kommen konnte, wird allgemein darin gesehen, dass es einfach in den letzten Jahren zu wenig Wind gegeben hat. Schließlich sind zuletzt ja auch die obligatorischen Sandstürme aus der Wüste Gobi (沙尘暴) im Frühjahr ausgefallen. Dafür hat's dann halt jetzt den Smog, aber die Regierung kümmert sich jetzt ja drum.

Aber jetzt mal wissenschaftlich betrachtet. Grund für den Smog in China sind natürlich nicht die ausbleibenden Winde, sondern Luftverschmutzung aus industrieller Fertigung, Stromerzeugung und Straßenverkehr. Eine besonders üble Rolle spielt dabei Kohle als fossiler Brennstoff. Im letzten Jahrzehnt hat China durchschnittlich zwei neue Kohlekraftwerke pro Woche gebaut - besonders der Norden China setzt auf Kohle als Energielieferant. Für uns ist das besonders tragisch, da die Provinz Hebei, die Tianjin umgibt, eines der größten Kohlebergbaugebiete in China ist. Quasi das Ruhrgebiet Chinas.

Die Luftverschmutzung verfolgen wir regelmäßig über Apps an unseren Handys - der Klassiker ist China AQI. Die App listet landesweit alle Meßstationen und errechnet den AQI (=Air Quality Index). Der AQI berücksichtigt verschiedene Arten von Luftverschmutzung wie Feinstaub, Ozon, Kohlendioxid, Schwefel etc., wichtet diese und weist dann eine Kennzahl aus.

Je nach Wert des AQI gibt es dann verschiedene Luftqualitäten - es gibt Excellent (Exzellent), Good (Gut), Slightly Polluted (Leicht verschmutzt), Moderately Polluted (Mäßig verschmutzt), Heavily Polluted (Stark verschmutzt), Unhealthy (Ungesund), Hazardous (Verseucht) und Beyond Index (Nicht mehr meßbar). Ab der Stufe Mäßig Verschmutzt gilt die Empfehlung Aktivitäten im Freien zu vermeiden (besonders für Kinder), bei allen darüberliegenden Stufen wird ausserdem noch das Tragen von Masken und das Einschalten von Luftreinigern empfohlen.

Der Unterschied zwischen stark verschmutzter  und guter Luft sind bei uns aus dem Küchenfenster schauend so aus (folgt sobald es mal wieder gute Luft gibt)

Wie bereits erwähnt sind wir leider in einer Umgebung die stärker von Luftverschmutzung betroffen ist. Unter den TOP10 Städten mit den höchsten durchschnittlichen AQI in China befinden sich allein 7 aus der Provinz Hebei. Tianjin steht auf Platz 23 und Peking auf Rang 27 von 193 gemessenen Städten in China.

Im März hatten wir jetzt rund 5 Tage mit starker Verschmutzung, heute war es im April der erste.

In den Medien präsent - sowohl in China als auch im Ausland - ist das Thema besonders seit der sog. "Aircopalypse" in Peking im Januar 2013 als sich dort der AQI über Wochen über 500 ("Beyond Index") bewegte. Die Feinstaubbelastung während dieser Zeit in Peking lag um 16% höher als in einer durchschnittlichen Raucherlounge in einem Flughafen. Das ist nicht schön.

Die Luftverschmutzung und besonders die Feinstaubbelastung äussert sich besonders in einer erhöhten Anfälligkeit für Herz-/Kreislauferkrankungen. Es gibt da zahlreiche Studien zu - so hat man rausgefunden, dass ein Nordchinese eine im Durschnitt 5,5 Jahre kürzere Lebenserwartung hat als ein Südchinese, da im Norden mehr mit Kohle geheizt wird. Die Fruchtbarkeit der Chinesischen Männer leidet unter der schlechten Luft und die Häufigkeit von Ambulanzbesuchen in den Kliniken ist an Smog Tagen deutlich erhöht.

Bisher zeigen weder wir noch die Kinder irgendwelchen akuten Reaktionen, aber insbesondere die Luftverschmutzung ist für mich ein klarer Beweggrund dafür, dass unser Aufenthalt hier ganz sicher nur befristet sein kann.

09April
2014

Totenfest (清明节)

Letztes Wochenende war ein gutes Wochenende - denn es war ein langes Wochenende. Beschert hat uns das ganze eine Veranstaltung mit dem schaurigen Namen "Totenfest" - in etwa vergleichbar mit unserem Allerheiligen. Am Totenfest gedenkt der Chinese gemeinhein seinen verstorbenen Vorfahren - meiner Beobachtung nach äußert sich dieses sodann in zwei Aktivitäten:

Zum einen sichtet man immer wieder Menschen, die am Straßenrand hocken und Papierbündel verbrennen. Bei dem Papier handelt es sich dann um sogenanntes Totengeld und man glaubt wohl, dass durch das Verbrennen des Totengeldes die Beträge den Verstorbenen zugehen, die damit im Jenseits dann eine Sause machen können. Wie eine Online Überweisung ins Nirvana. Wir haben das versucht Nelly zu erklären, aber ich glaub' die hat's nicht verstanden ("Was machen die da?", "Und warum?", "In echt, Mama?")

Zum anderen gibt es den Brauch des Grab-Fegens (扫墓) durch den uns dann auch meine Schwiegermutter verlustigt gegangen ist, da diese die Gelegenheit genutzt, sich nach getaner Grab-Fege-Arbeit zurück nach Peking abzusetzen. Ich glaub' ich habe jetzt schon mindestens drei Anläufe unternommen, es auch einmal auf einen chinesischen Friedhof zu schaffen, aber bisher leider immer Erfolg. Dieses Mal lag es an den Kindern, dass wir nicht mit durften, da Kinder auf einem Friedhof ja schonmal gar nichts verloren haben.

Für uns war es dann auch die ersten Tage nach einem Monat in China, an denen wir zu viert hier klarkommen mussten. Geäußert hat sich das dann u.a. daran, dass wir die freien Tage konsequent draußen gegessen haben und die Küche mehr oder weniger komplett kalt geblieben ist.

Das wir dieses schöne lange Wochenende begehen konnten, verdanken wir übrigens einer grandiosen chinesischen Erfindung namens Daoxiu. Daoxiu ist klassen - denn Daoxiu sorgt dafür, dass Feiertage, die auf ein Wochenende fallen einfach umgelegt werden. In unserem Fall wäre das Totenfest nämlich Samstags gewesen, da das aber nach chinesischen Verständnis ungerecht ist, da die meisten Leute eh' Samstags frei haben, legt man einfach den entgangenen Feiertag auf einen nicht freien Tag - in unserem Fall den Montag. Auf welchen nicht freien Tag das Totenfest dann aber gelegt wird, scheint mir aber ziemlich willkürlich zu sein und von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich gehandelt zu werden. Was dann wieder zur Folge hat, das ein gewisses Durcheinander im Geschäftsleben entstehen kann - scheint aber nicht weiter aufzufallen und hat uns jetzt auch nicht gestört.

Dank Daoxiu und Totenfest konnten wir dann einige Wochenendaktivitäten begehen.

Den Samstag haben wir mehr oder weniger komplett in dem Sportartikel Supermarkt "Decathlon" verbracht, der unmittelbar neben unserem Wohnblock liegt. Hier verschlägt es uns öfters hin, da man anständige Kleidung und Spielsachen für die Kinder bekommen kann. Ausserdem kann Nelly da Fahrradfahren und Tom Bällen hinterherlaufen, was praktisch ist, da die sich dann zu Hause nicht die Köpfe einschlagen und randalieren. Der Grund warum es uns am Samstag dort zweimal hin verschlagen hat ist hier zu sehen:

Jetzt besitzt zwar jeder Zweig des Kohlhaas Clans in Deutschland seinen eigenen Crosstrainer, aber angesichts unserer Situation hier in China, scheint mir die Anschaffung für die nächsten zwei Jahre doch sehr lohnend.

Am Sonntag schlug dann überraschender ungeplanter Weise wieder Huis Verwandschaft zu. Hier in Tianjin gibt es eine nette Umschreibung für das ausufernder Beziehungsgepflecht von eigenen und angeheirateten Verwanden. Man spricht dann von den "7 Großen Tanten müttlericherseits und den 8 großen Tanten väterlicherseits" (七大姑八大姨). Das scheint eine besondere Redewendung hier in Tianjin zu sein und meine Kollegen bei der SEW lachen sich immer schäbelig, wenn ich damit anfange. Am Samstag war Laojiu (老舅)  - also der jüngste Bruder meiner Schwiegermutter - der Bösewicht. Kurzer Anruf am Samstag Morgen: "Seit ihr da?" "Ja" "Ok - Wir kommen". Der Schwimmengehplan war damit erledigt, aber es war auch so sehr nett. Laojiu und Laojiumu (=Frau des jüngsten Bruders der Schwiegermutter) hatten unmengen an Geschenken dabei und wir haben dann schick zum Essen eingeladen.

Später am Samstag Nachmittag waren wir dann noch im Tanggu Forest Park. Die Anreise dahin war eine Katastrophe, aber der Park war dann ganz nett. Da recht weitläufig gab es doch tatsächlich ein paar ruhige Ecken an denen man mit den Kindern Ball spielen konnte.

Everybodys Darling Tom wurde doch tatsächlich Opfer mehrfacher Paparazzi Attacken, was ihn aber scheinbar ziemlich kalt gelassen hat.

 

Nun ja. Denke es gibt wohl auch schlimmere Aussichten:

Am Sonntag waren wir dann noch schön schwimmen.

Ein schönes Wochenende, dem Totenfest und Daoxiu sei gedankt.

07April
2014

TEDA (泰达)

Der Ort an dem wir jetzt wohnen nennt sich TEDA, was steht für "Tianjin Economic-Technological Development Area". Es handelt sich also um ein ökonomisch-technologisches Entwicklungsgebiet in Tianjin.

Tianjin ist seines Zeichens hinter Beijing, Shanghai und Guangzhou die viertgrößte Stadt Chinas und adminsitrative gesehen eine regierungsmittelbare Stadt - also in etwa vergleichbar mit unseren Stadtstaaten in Deutschland wie Hamburg, Berlin und Bremen. Wir befinden uns 150km östlich von Peking, direkt an der Bohai Bucht zum Gelben Meer hin gelegen. Zu den übrigen Seiten hin, grenzen wir an die Provinz Hebei.

Wenn man also so will wohnen wir jetzt in Hamburg - oder eher im Hamburger Hafen. Denke, dass beschreibt die Lage ganz gut.

Der TEDA wurde 1984 mit Beginn der Reform und Öffnungspolitik gegründet. Das Gebiet liegt rund 40-50km vom Stadtzentrum Tianjin entfernt in unmittelbarer Nähe zum Meer. Zu Beginn der 90iger hat es hier außer Salzwiesen nicht viel gegeben, aber mittlerweile hat sich der TEDA zu einer eigenen Großstadt mit ziviler Infrastruktur wie Krankenhäusern, Schulen, Kindergärten etc. entwickelt. Da sich hier viele internationale Unternehmen angesiedelt haben - neben SEW gibt es hier aus Deutschland u.a. noch Volkswagen, Continental und Airbus - gibt es auch eine recht gut entwickelte internationale Gemeinschaft.

Glaubt man der Selbsdarstellung der lokalen Adminstration ist der TEDA eines der sich am schnellsten entwickelndsten Wirtschaftszonen in ganz Asien. Kann aber auch wirklich so sein, dass das so ist, da sich auch die ganze Stadt Tianjin wahnsinnig verändert und entwickelt hat. Ich war ja bereits 2002 hier für ein halbes Jahr und man kann wirklich sagen, dass im Innenstadtbereich kein Stein auf dem anderen geblieben ist. Angeblich hat Tianjin heute ein höheres BIP/Kopf als Peking und Shanghai. Die Fahrräder die damals noch das Stadtbild sehr geprägt haben, sind auf jeden Fall flächendeckend verschwunden. Ob das alles so gut ist, ist natürlich eine andere Frage.

Aufgrund der vielen Langnasen im TEDA bekommt man nahezu alles was man so zum Leben braucht her. Es gibt deutsches Brot, Käse, Kaffee und für teures Geld alles weitere was man so aus der Heimat gewöhnt ist. Es gibt eine Pizzeria von einem echten Italiener und auch ansonsten einige Bars und Malls (=Einkaufszentren) in denen man gut westlich Essen gehen kann. Und es gibt sogar zwei internationale Schulen, die sich aber kein Schwein leisten kann - zumindest wenn der Arbeitgeber die Kosten dafür nicht übernimmt.

Aus meinen Dienstreisen hatte ich den TEDA bisher immer nur als klassisches Industriegebiet wahrgenommen, in dem sich alles ums Geld dreht. Es gibt Leute hier, die hierherkommen um zu arbeiten und viel verdienen (Expats), Leute, die hierherkommen um zu arbeiten und wenig verdienen (Fabrikarbeiter) und Leute, die den Leuten, die hierherkommen zu arbeiten, das Geld aus der Tasche ziehen (Personal in den Bars).

Seit wir aber jetzt seit rund vier Wochen hier leben fällt mir auch auf, dass es hier auch ein recht normal funktionierendes Alltagsleben einer chinesischen Mittelschicht hier gibt. Es gibt kleine nette Straßenrestaurants, Gemüsehändler und Familien, die bei schönen Wetter im Park mit ihren Kindern spielen.